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Trotz Zecken an allen Ecken - Borreliose muss nicht sein

Viele Laubbäume und Pflanzen erwachen mit den allmählich wärmer werdenden Tagen im April aus ihrer Winterruhe, treiben das erste frische Grün aus und locken uns bei Sonnenschein mit ihren süß duftenden Blüten nach draußen. Mit steigenden Temperaturen und dem einen oder anderen Regenschauer beginnt im Frühling für gewöhnlich auch die Jagdsaison unseres gefährlichsten heimischen Wildtieres: Ixodes ricinus, der Gemeine Holzbock.

Berühmt – oder vielmehr berüchtigt – und auch gefürchtet ist die bei uns Menschen regelmäßig, aber eigentlich irrtümlich blutsaugende Schildzecke als Überträgerin einer Vielzahl von Infektionskrankheiten. Irrtümlich, weil sie sich am Menschen nicht erfolgreich entwickeln und fortpflanzen kann und er daher für die Zecke ein sogenannter Fehlwirt ist. Dennoch reicht dieser Irrtum in vielen Fällen aus, uns Menschen krank werden zu lassen.

So ist die (Lyme-)Borreliose, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht wird, die bedeutendste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Deutschland. Allein Im Jahr 2022 gab es in Sachsen 1709 gemeldete Fälle, davon 198 im Vogtlandkreis. Das ist insofern alarmierend, da eine Übertragung des Erregers relativ leicht verhindert werden kann.

Dafür braucht es nur ein wenig Aufmerksamkeit und etwas Verständnis darüber, wie Zecken eigentlich ticken. Ein kurzer Ausflug in die Biologie des Gemeinen Holzbocks reicht dafür vollkommen aus:

Wann der Gemeine Holzbock besonders hungrig ist

Umtriebig ist das blutdürstige Spinnentier bei anhaltend hoher Luftfeuchtigkeit um 80 bis 85 % schon ab einer Umgebungstemperatur von etwa 7 bis 8° C, also fast das ganze Jahr über. Besonders aktiv aber ist der Gemeine Holzbock vor allem im Frühling und Herbst, was nicht zuletzt an den günstigen Witterungsbedingungen liegt. Im Frühling brauchen die Nymphen, das sind – vereinfacht gesagt – Zecken in der Pubertät, eine Blutmahlzeit um sich zu häuten und damit zum erwachsenen Tier entwickeln zu können. Im Herbst sind es dann allein die erwachsenen Weibchen, die ohne die Nährstoffe aus dem Blut eines Wirtes kaum ihre bis zu 3000 Eier legen könnten.

Seinen wissenschaftlichen Namen verdankt Ixodes ricinus übrigens dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné, der die parasitäre Riesenmilbe im 18. Jahrhundert offiziell benannt hat. Als “Gemein” wird der Holzbock im Deutschen aber nicht bezeichnet, weil er besonders gemein wäre oder gar gemeines tut. Sondern weil er schon vor über 200 Jahren die mit Abstand häufigste Zeckenart in Mitteleuropa war – und damit eben sehr (all)gemein verbreitet ist.

Wo der Gemeine Holzbock auf seine Mahlzeit wartet

Der Gemeine Holzbock kommt tatsächlich fast überall vor, wo es schattig und vor allem feucht genug ist – und hin und wieder ein ahnungsloser Wirt vorbeikommt. Zu seinen bevorzugten Lebensräumen zählen etwa Lichtungen, Tierpfade und Wegränder in Laub- und Mischwäldern, aber auch in und an Wiesen, insbesondere in der Nähe von Gewässern. Auf öffentlichen Grünflächen, in Parkanlagen und Gärten findet das Gliedertier gute Bedingungen und breitet sich zunehmend dorthin aus.

Die Einwohnerdichte des Gemeinen Holzbocks ist auf Grün- und Wiesenflächen zwar nur etwa halb so hoch wie in Wäldern und an Waldrändern. Eine mittlere Häufigkeit von 2 bis 3 Tieren pro Quadratmeter aber lässt erahnen, wie (all)gemein verbreitet der Gemeine Holzbock tatsächlich ist und wie sehr er seinem Namen gerecht wird.

Bezogen auf ein Fußballfeld – als Beispiel für eine für Zecken wenig attraktive Grünfläche – bedeutet das bei einer Dichte von nur einem einzigen Tier pro Quadratmeter noch immer eine stattliche Gesamtbevölkerung von über 7000 hungrigen Blutsaugern. Da etwa jede vierte Zecke den Erreger der (Lyme-)Borreliose in sich trägt, sind das auf der vergleichsweise kleinen Fläche eines Fußballplatzes immer noch weit über 1700 mögliche Krankheitsüberträger.

Das ist enorm, aber richtig gefährlich wird der Gemeine Holzbock nicht allein wegen seiner Häufigkeit. Hier kommt es auf die richtige – oder für uns Menschen vielmehr unheilvolle – Mischung aus Populationsdichte, spezifischem Verhalten und (medizinischen) Fähigkeiten an.

Was den Gemeinen Holzbock so gefährlich macht

Neben seiner hohen Zahl ist das seine – mit unseren Augen betrachtet durchaus heimtückisch wirkende – Strategie des stillen und unerkannten Lauerjägers, der sich unbemerkt von seinem Wirt im Vorbeilaufen von der Spitze eines Grashalms, den er zuvor ausschließlich dafür erklettert hat, abstreifen lässt. Das Operieren im Unerkannten führt der Gemeine Holzbock dann auch fort, indem er die auf seinem Wirt erwanderte Einstichstelle mit einem Cocktail aus Betäubungsmitteln, Gerinnungshemmern und entzündungshemmendem Wirkstoffen behandelt – um auch während der Blutmahlzeit unentdeckt zu bleiben.

Bemerkt wird der Zeckenstich in aller Regel erst, nachdem die Zecke schon mit der Blutmahlzeit begonnen hat. Manches Mal auch erst dann, wenn sie schon längst wieder verschwunden ist und sich in neun von zehn Fällen die Wanderröte – das sogenannte Erythema migrans – als untrügliches Zeichen einer Borrelien-Infektion an der Einstichstelle entwickelt. Dann aber ist es bereits zu spät – und eine sofortige antibiotische Therapie ist erforderlich.

Wie Sie eine Infektion mit Borrelien verhindern können

Der Gemeine Holzbock – ein allgegenwärtiger Geist also, gegen den wir nichts unternehmen können und den wir regelmäßig erst bemerken, nachdem er uns heimgesucht hat?

Nein. Denn Sie wissen jetzt, wo und wann der Gemeine Holzbock gehäuft auftritt. Im nebelfeuchten Wald oder auf einer mit Morgentau bedeckten Wiese können Sie im Frühjahr mit wesentlich mehr Zecken rechnen als auf einem kurzgeschnittenen und im Hochsommer vielleicht sogar vertrockneten Rasen. Feuchtigkeit ist tatsächlich entscheidend. Daher verlässt der lauernde Vampir seine Warte auf dem Grashalm auch, wenn es dort oben bei schönem Wetter und Sonnenschein um die Mittagszeit zu heiß und vor allem zu trocken wird.

Doch auch wenn er Glück hatte und bereits von Ihnen abgestreift wurde, begibt sich der durstige Blutsauger umherwandernd auf die Suche nach einer für ihn geeigneten Stelle, an der er seine Mahlzeit sicher und ungestört zu sich nehmen kann. An dieser Stelle müssen Temperatur und Luftfeuchte ebenfalls ausreichend und vor allem die Haut dünn genug sein, damit der Stech- und Saugapparat sie durchdringen kann.

Bei uns Menschen sind die Zielgebiete und damit die Körperstellen, die wir nach einem Aufenthalt im Freien besonders im Blick haben sollten, vor allem die Leistengegend und die Kniekehlen. Aber auch in den Achseln und Ellenbeugen oder auch hinter den Ohren und insbesondere bei kleinen Kindern im gesamten Kopfbereich findet der Gemeine Holzbock attraktive Rastplätze.

Wenn Sie helle Kleidung tragen, sehen die das Tier leichter auf seiner Suche nach einer geeigneten Stelle und können es sofort entfernen. Noch in Feld und Flur sollten Sie ohnehin regelmäßig kontrollieren, ob ein blinder Passagier an Bord ist. Auch wenn Sie einen Hund oder eine freilaufende Katze haben, sollten sie diese vorsichtshalber regelmäßig auf Zecken hin absuchen.

Finden Sie bei sich erst nach Ihrem Aufenthalt im Freien eine bereits festsitzende Zecke, entfernen Sie diese ebenfalls rasch mit einer Pinzette oder Zeckenkarte. Aber bitte ausschließlich durch Herausziehen. Zecken haben kein Gewinde und können nicht herausgedreht werden. Die Frage, ob links- oder rechtsherum spielt daher wirklich keine Rolle. Auch vertrauen Sie künftig nicht mehr auf Hausmittel wie zum Beispiel Öl, um die Zecke zu ersticken. Denn das macht Ihren einzigen Vorteil zunichte, den Sie gegen den achtbeinigen Krankheitsüberträger haben: Zeit.

Denn Zeit braucht der wählerische Holzbock, um auf Ihnen umherzuwandern und eine für ihn geeignete Stelle zu finden. Und Zeit braucht es auch bis er das krankmachende Bakterium während der Blutmahlzeit über seinen Speichel abgibt. Träufeln Sie Öl auf die Zecke, übergibt sie sich unter Umständen und pumpt das Bakterium vorzeitig aus ihrem Mitteldarm in die Wunde.

Sie werden sicher nicht alle Zeckenstiche verhindern können. Wenn Sie aber das nächste Mal im Freien unterwegs sind, haben Sie einen Blick dafür, unter welchen Umständen und an welchen Orten Sie vielleicht regelmäßig nach Zecken an sich Ausschau halten oder schauen lassen.

Vor allem aber wissen Sie, dass Sie einen Zeitvorsprung haben und auch zu Hause kontrollieren sollten, um einen bereits festsitzenden Holzbock zu entfernen – bevor er Sie womöglich infiziert. Irrtümlich.


Nehmen Sie sich also die Zeit! - Ihr Gesundheitsamt Vogtlandkreis